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Anatomische Rekonstruktionen der Seitenbänder bei chronischen Instabilitäten des Ellenbogengelenks

Inhaltsverzeichnis
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Einleitung

Die Verrenkung des Ellenbogens ist eine relativ häufige Verletzung. Die meisten Ellenbogenluxationen treten in Richtung nach außen und hinten (posterolateral) auf. Zunächst wird bei der posterolateralen Verschiebung des Unterarms das äußere Seitenband gerissen. Wenn die wirkende Kraft nicht erschöpft ist, werden die vorderen und hinteren stabilisierenden Strukturen beeinträchtigt (Riss der Gelenkkapsel oder Fraktur vorne), was eine posterolaterale Teilverrenkung ermöglicht. Die Gelenkflächen vom Oberarmknochen (Humerus) und Elle (Ulna) bleiben noch teilweise im Kontakt. Das äußere Seitenband ist ein Schlüsselband in der pathologischen Mechanik der posterolateralen Instabilität (Wackeligkeit), weil es einer heftigen Innenrotation des Unterarms (Supination) widersteht. 

Die posterolaterale Rotationsinstabilität wurde erstmals in 1991 von O’Driscoll et al. (1) als eigenständige klinische Entität beschrieben. Bei anhaltender Krafteinwirkung wird die wichtigste stabilisierende Struktur, das innere Seitenband, gerissen und die Elle hinter den Humerus verschoben. Nur der hintere Teil des inneren Seitenbandes oder auch sein wichtigerer vorderer Teil kann gerissen sein, oder es kann dazu noch zu einer Muskelverletzung kommen. In diesen Fällen ist die Wiederherstellung (Reposition) erst ab einer Beugung von 110° stabil, bei 90° Beugung luxiert der verletzte Ellenbogen sogar im Gips.

Das Ellbogengelenk wird durch statische und dynamische Stabilisatoren gesichert. Die primären statischen Stabilisatoren sind die Seitenbänder und das Humero-Ulnar-Gelenk. Zu den statischen Sekundärstabilisatoren gehören der Kopf der Speiche (Radiuskopf) und die Gelenkkapsel. Muskeln sind dynamische Stabilisatoren. Wenn die primären statischen Stabilisatoren, namentlich die Seitenbänder, nach der ursprünglichen Verletzung nicht geheilt sind, reichen die verbleibenden Stabilisatoren nicht aus, die Stabilität des Ellenbogens zu gewährleisten, und die Instabilität geht in einen chronischen Zustand über. Wir treffen öfter eine chronische Insuffizienz des äußeren Seitenbandes, weil das innere Seitenband besser heilt und sogar in der Endphase der Verrenkung (Luxation) nur bei größerer Gewalt verletzt wird. Die innere Instabilität verursacht jedoch bedeutendere Probleme für die Patienten. Wenn wir die Werfer-Ellenbogen-Instabilität außer Acht lassen, finden wir in der  Vorerkrankung (Anamnese) eine zurückliegende Gelenkverletzung.

Die Beschwerden des Patienten sind oft ungleichartig, von Schmerzen über Schnappen und Blockaden bis hin zu Gefühlen des „Herausfallens“ des Gelenks. Beschwerden werden meist in Halbbeugung empfunden – bei Insuffizienz des äußeren Seitenbandes in Innenrotation (Supination) und bei Insuffizienz des inneren Seitenbandes in Außerrotation (Pronation) des Unterarms. Am häufigsten wird Instabilität beim Aufstehen von einem Stuhl mit Hilfe der oberen Gliedmaßen wahrgenommen. Im Extremfall kann es zu schmerzhaften rezidivierenden radiohumeralen Teilverrenkungen (Subluxationen) kommen. Die häufigste posterolaterale Rotationsinstabilität tritt nach reinen Luxationen oder nach Luxationsfrakturen auf. Elle und Speiche rotieren dabei zusammen als Einheit rundum das innere Seitenband als Drehpunkt nach hinten und außen (posterolateral), was zu einem Verlust des Kontakts zwischen Humerus und Ulna führt. Der Grad der chronischen Instabilität ist direkt proportional zur Schwere der initialen Bandverletzung.

Patienten mit chronischer Instabilität des Ellenbogens kommen zu uns in der Regel mit dem klaren Wunsch, ihre unangenehmen Probleme zu lösen, und lehnen die angebotene Operation meistens nicht ab. Bis heute wurden mehrere Verfahren vorgeschlagen, um die Seitenbänder zu ersetzen. Bereits in 1966 veröffentlichten Osborne und Cotterill eine eigene Technik zur Verstärkung der stabilisierenden Strukturen des äußeren Komplexes (2). Zehn Jahre später fanden Hassmannet al. (3) heraus, dass eine Knochenabmeißelung  und anschließende Überdeckung mit weichen Strukturen des äußeren Komplexes zu einer Verbesserung der Gelenkstabilität führt. Jobe et al. (4) hat als erste eine Sehne in Form einer „8“ für die Rekonstruktion des inneren Komplexes verwendet. Seine Technik enthielt jedoch eine Reihe von Nachteilen. Ähnlich wie beispielsweise im Bereich des Kniegelenks werden heutzutage auch bei Ellenbogeninstabilitäten anatomische Techniken zur Rekonstruktion der Seitenbänder vorangetrieben. Ziel unserer prospektiven Studie war es, die Ergebnisse nach anatomischen Rekonstruktionen der Seitenbänder des Ellenbogengelenks bei chronischen Instabilitäten zu evaluieren.

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Material und Methoden

Wir operierten sieben Patienten (vier Frauen und drei Männer mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren, 21-67 Jahre) wegen chronischer innerer Instabilität, 13 Patienten (acht Frauen und fünf Männer mit einem Durchschnittsalter von 37 Jahren, 24-61 Jahre) für chronische äußere Instabilität und drei Patienten für kombinierte chronische Instabilität (zwei Frauen und einen Mann mit einem Durchschnittsalter von 38 Jahren, 31-62 Jahre). Indikationskriterium war, neben den subjektiven Beschwerden, der Nachweis einer Instabilität auf speziellen Röntgenaufnahmen. Alle Patienten wurden von mir operiert. Alle Patienten wurden nach der Primärverletzung in anderen Krankenhäusern behandelt (15 chirurgisch und 8 konservativ). In 7 Fällen handelte es sich um Zustände nach Verrenkungsfrakturen und in 16 Fällen um isolierte Verletzungen des Bandapparates (Luxation).

Alle Operationen wurden in Seitenlage durchgeführt. Nach dem Entfalten des Muskels wurde die Ansatzstelle des Seitenbandes am Humerus ergeben (Stelle des Rotationszentrums des Gelenks).

Während der anatomischen Plastiken wurde auf der Außenseite für die zweifache Rekonstruktion dickere Anteil des Sehnentransplantats hinten und dünnere Anteil des Sehnentransplantats vorne verwendet. Auf der Innenseite wurde für die zweifache Rekonstruktion dickere Anteil des Sehnentransplantats vorne und dünnere Anteil des Sehnentransplantats hinten verwendet. In den meisten Fällen wurde der M. palmaris longus (langer Handflächemuskel) zur Rekonstruktion verwendet. Bei Plastiken beider Seitenbänder wurde auf der Außenseite der M. palmaris longus und auf der Innenseite ein Streifen aus der Achillessehne verwendet.

Bei sechs Patienten wurde während der Operation (für 8 Wochen) ein Gelenkfixateur externe angelegt, bei den restlichen 17 Patienten wurde postoperativ eine Gipsfixation angelegt, die nach einer Woche für eine Gelenkorthese (für 7 Wochen) gewechselt wurde. Die Physiotherapie begann ohne Einschränkung des Bewegungsumfangs bei Patienten mit Fixateur externe unmittelbar nach der Operation, bei den übrigen Patienten unmittelbar nach Gipsabnahme und Anlage der Gelenkorthese. Acht Wochen nach der Operation war eine allmähliche Belastung des Gelenks erlaubt. Die Patienten wurden zwei, vier und sechs Wochen nach der Operation und dann 3, 6, 12 und mindestens 24 Monate nach der Operation untersucht.

Die durchschnittliche Zeit von der Verletzung bis zur Operation betrug 22 Monate (11-35 Monate). Der durchschnittliche Beobachtungszeitraum betrug 27 Monate (24-39 Monate, mindestens 24 Monate). Das Mayo Elbow Performance Score (MEPS) (100/100 Punkte) wurde zur Ergebnisauswertung prä- und postoperativ erhoben. Mann-Whitney U-Test wurde verwendet, um die Ergebnisse vor und nach der Operation statistisch zu vergleichen.

Ergebnisse

Das mittlere MEPS verbesserte sich von 57 Punkten präoperativ („schlecht“) auf 85 Punkte postoperativ („gut“) (p < 0,05). Der Score für Schmerzen verbesserte sich im Durchschnitt von 21 auf 39 Punkte (p < 0,05), der Score für Bewegung veränderte sich nicht (19 Punkte) (p > 0,05), der Score für Stabilität verbesserte sich von 0 auf 9 Punkte (p < 0,05) und der Score für die tägliche Funktion verbesserte sich von 17 auf 18 Punkte (p > 0,05). Es wurden keine wesentliche Komplikationen beobachtet.

Die Patienten kehrten nach durchschnittlich 10,6 Wochen (0–29 Wochen) zur Arbeit (bei älteren Menschen zu ihrer ursprünglichen Tätigkeit) zurück. Subjektiv waren die meisten Patienten mit dem Ergebnis zufrieden. 16 Patienten bewerteten das Ergebnis mit ausgezeichnet, 4 Patienten mit gut und 3 Patienten mit zufriedenstellend. Bei keinem Patienten trat nach der Operation eine Luxation auf.

Schlussfolgerung

Die Entwicklung einer chronischen Instabilität des Ellenbogens nach unbefriedigend behandelten Luxationen ist nicht selten. Die anatomische Rekonstruktion der Bänder hat hier, wie auch in anderen Gelenken, eine logische Berechtigung. Die funktionellen Ergebnisse anatomischer Zweibündelrekonstruktionen sind gut. Die Patienten sind nach den Operationen im Allgemeinen sehr zufrieden.

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verfasst von:

Univ.Prof. Dr.med.univ. Radek Hart

Dr. Radek Hart ist Facharzt für Orthopädie und Traumatologie mit einer besonderen Spezialisierung auf das Ellenbogengelenk. Er bietet eine umfassende Versorgung des Bewegungsapparates an, die auf die individuellen Bedürfnisse seiner Patienten abgestimmt ist, mit dem Ziel, komplexe Probleme effektiv zu behandeln und die Patienten nachhaltig von ihren Beschwerden zu befreien. Besonders spezialisiert ist er auf die Behandlung sämtlicher Erkrankungen und posttraumatischer Zustände des Ellenbogens. Durch regelmäßige Teilnahme an internationalen Kongressen bleibt Dr. Radek Hart stets auf dem neuesten Stand der Orthopädie. Seine langjährige wissenschaftliche Forschungstätigkeit befähigt ihn zusätzlich, die aktuellsten Erkenntnisse in seine Behandlungsansätze einfließen zu lassen.

  1. O´Driscoll SW, Bell DF, Morrey BF. Posterolateral rotatory instability of the elbow. J Bone Joint Surg Am. 1991;73:440-446.
  2. Osborne G, Gotterill P. Recurrent dislocation of the elbow. J Bone Joint Surg Br. 1966;48:340-346.
  3. Hassmann GC, Brunn F, Neer CS. Recurrent dislocation of elbow. J Bone Joint Surg Am. 1975;57:1080-1084.
  4. Jobe FW, Stark H, Lombardo SJ. Reconstruction of the ulnar collateral ligament in athletes. J Bone Joint Surg Am. 1986;68:1158-1163.

Fotoquellen: Adobe Stock, https://stock.adobe.com; https://elements.envato.com

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